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Bevorzugt in großen Formaten stehen vor uns im weitesten Sinne figürliche Szenen, auch Tierdarstellungen und Landschaften. Die Motive erscheinen und entziehen sich. Der Moment, da eine Szene benennbar werden könnte, tritt kaum je ein – stattdessen Übergänge, Überlagerungen, Durchsetzungen mit Farbflecken, geometrischen Elementen, Zeichnungen, Mikro-Bildern. Gebrochene Farben, partienweise auch wieder geradezu aggressiv leuchtend, vorwiegend Acryl, aber von anderen Materialkomponenten ergänzt. Lasierend, verdünnt, dickflüssig, an einigen Stellen Klumpen bildend. Grafische Elemente aus Kreiden, Holzkohle und anderen Zeichenstiften.
Nach der Gesamtschau tritt man nahe an eine Leinwand heran und macht ein kompliziertes Gefüge aus Schichtungen aus, die ein Vorn und Hinten, ein Darüber und Darunter nur vorübergehend erkennbar werden lassen. Unmittelbar daneben ergibt sich schon wieder ein anderer Befund. Insoweit trägt die Malerei eigentlich die Hauptmerkmale gestisch-informeller Kunst, aber auch das ist nicht der endgültige Befund.
In dieses Konglomerat nämlich von Formäußerungen verschiedenster Natur sind immer wieder Figuren verflochten, deutlich linear umrissen, selten vollständig, oft als Fragment, weil auch sie Teil dieses fließenden, explorierenden, ineinander verwobenen Gestaltkosmos sind. Einzelne Körperpartien sind altmeisterlich modelliert und gehen dann mit diesem malerisch dargestellten Relief in gegenstandslose Formlandschaften über. Doch wie ein stets sich wieder Gehör verschaffendes Grundmotiv setzen sich gegen diese scheinbar unkontrollierten Gestalteneruptionen immer wieder präziseste Zeichnungen durch, klare und deutliche Umrisslinien, die Assoziationen zu den kraftvollen und virtuosen Figurenkonzepten der Spätrenaissance und des Manierismus heraufbeschwören, aber sofort wieder verschwimmen lassen.
Darin liegt ein fundamentales Prinzip der gestalterischen Methode von Magdalena Cichon. Sie bietet sowohl sich als auch dem Betrachter keine endgültigen Formulierungen an. Fortwährend stellen sich neue Konstellationen zwischen Farbe, Form und Struktur ein. Als Betrachter werden wir sehr schnell gewahr, dass wir keinen Anspruch auf sicheres Erkennen oder eine eindeutige Lesart haben.
Vom Unberechenbaren, Unerwarteten geht Magdalena Cichon in ihrer Arbeit auch aus. Ihre Strategie gründet sich auf das Potential des zufällig Entstehenden und auf ihre planvollen Eingriffe, ihre bildnerischen Antworten auf diese Vorgaben. Es ist das Spannungsfeld zwischen Zufall und Absicht, aus dem ihre Bilder ihre Kraft beziehen.
Magdalena Cichon zeichnet Form und Umriss von Körpern nicht nach einem Vorbild, sondern sie hat diese anatomischen Formeln durch langes Studium verinnerlicht, sodass sie zur Bildidee, zum Formfundus geworden sind, der sich dann, immer wieder dem Zufall nachgebend, im Malakt Bahn bricht. Sie beschreibt dies als einen Vorgang, der „aus der Hand“ heraus sich vollzieht, „ohne Umweg über den Kopf“, den sie selbst wie eine Außenstehende beobachtet, um dann in einem entscheidenden Moment auf dieses Produkt aus künstlerischer Erfahrung und unbewusstem Handeln zu reagieren.
André Breton verstand die Tätigkeit des Künstlers weniger als ein Erfinden und Imaginieren denn als Auffinden, Auslösen und Bloßlegen und leitete daraus als künstlerisches Ideal einen „psychischen Automatismus“ ab, freilich in der Annahme, damit dem „wirklichen“ Ablauf des Denkens ohne jede Kontrolle der Vernunft auf die Spur kommen zu können. Das Ziel des Surrealismus bestand darin, eine uneingeschränkte Wirklichkeitstotalität abbilden zu können. Dies war freilich eine Utopie: Die Mitteilung bleibt immer Fragment eines Ganzen, Teil des großen Kontinuums, denn sie ist zwangsläufig Isolation, Auswahl aus einem Allzusammenhang.
Dieser Illusion erliegt Magdalena Cichon gar nicht erst. Sie ist sich dieser Einschränkung, dieser Bedingung voll bewusst und macht sie zur Methode – denn die Reflexion ist ein wesentlicher Charakterzug ihrer Arbeit.
www.magdalena-cichon.de
Text: Angelika Steinmetz-Oppelland, 2017
Foto: Joachim Blobel
Bevorzugt in großen Formaten stehen vor uns im weitesten Sinne figürliche Szenen, auch Tierdarstellungen und Landschaften. Die Motive erscheinen und entziehen sich. Der Moment, da eine Szene benennbar werden könnte, tritt kaum je ein – stattdessen Übergänge, Überlagerungen, Durchsetzungen mit Farbflecken, geometrischen Elementen, Zeichnungen, Mikro-Bildern. Gebrochene Farben, partienweise auch wieder geradezu aggressiv leuchtend, vorwiegend Acryl, aber von anderen Materialkomponenten ergänzt. Lasierend, verdünnt, dickflüssig, an einigen Stellen Klumpen bildend. Grafische Elemente aus Kreiden, Holzkohle und anderen Zeichenstiften.
Nach der Gesamtschau tritt man nahe an eine Leinwand heran und macht ein kompliziertes Gefüge aus Schichtungen aus, die ein Vorn und Hinten, ein Darüber und Darunter nur vorübergehend erkennbar werden lassen. Unmittelbar daneben ergibt sich schon wieder ein anderer Befund. Insoweit trägt die Malerei eigentlich die Hauptmerkmale gestisch-informeller Kunst, aber auch das ist nicht der endgültige Befund.
In dieses Konglomerat nämlich von Formäußerungen verschiedenster Natur sind immer wieder Figuren verflochten, deutlich linear umrissen, selten vollständig, oft als Fragment, weil auch sie Teil dieses fließenden, explorierenden, ineinander verwobenen Gestaltkosmos sind. Einzelne Körperpartien sind altmeisterlich modelliert und gehen dann mit diesem malerisch dargestellten Relief in gegenstandslose Formlandschaften über. Doch wie ein stets sich wieder Gehör verschaffendes Grundmotiv setzen sich gegen diese scheinbar unkontrollierten Gestalteneruptionen immer wieder präziseste Zeichnungen durch, klare und deutliche Umrisslinien, die Assoziationen zu den kraftvollen und virtuosen Figurenkonzepten der Spätrenaissance und des Manierismus heraufbeschwören, aber sofort wieder verschwimmen lassen.
Darin liegt ein fundamentales Prinzip der gestalterischen Methode von Magdalena Cichon. Sie bietet sowohl sich als auch dem Betrachter keine endgültigen Formulierungen an. Fortwährend stellen sich neue Konstellationen zwischen Farbe, Form und Struktur ein. Als Betrachter werden wir sehr schnell gewahr, dass wir keinen Anspruch auf sicheres Erkennen oder eine eindeutige Lesart haben.
Vom Unberechenbaren, Unerwarteten geht Magdalena Cichon in ihrer Arbeit auch aus. Ihre Strategie gründet sich auf das Potential des zufällig Entstehenden und auf ihre planvollen Eingriffe, ihre bildnerischen Antworten auf diese Vorgaben. Es ist das Spannungsfeld zwischen Zufall und Absicht, aus dem ihre Bilder ihre Kraft beziehen.
Magdalena Cichon zeichnet Form und Umriss von Körpern nicht nach einem Vorbild, sondern sie hat diese anatomischen Formeln durch langes Studium verinnerlicht, sodass sie zur Bildidee, zum Formfundus geworden sind, der sich dann, immer wieder dem Zufall nachgebend, im Malakt Bahn bricht. Sie beschreibt dies als einen Vorgang, der „aus der Hand“ heraus sich vollzieht, „ohne Umweg über den Kopf“, den sie selbst wie eine Außenstehende beobachtet, um dann in einem entscheidenden Moment auf dieses Produkt aus künstlerischer Erfahrung und unbewusstem Handeln zu reagieren.
André Breton verstand die Tätigkeit des Künstlers weniger als ein Erfinden und Imaginieren denn als Auffinden, Auslösen und Bloßlegen und leitete daraus als künstlerisches Ideal einen „psychischen Automatismus“ ab, freilich in der Annahme, damit dem „wirklichen“ Ablauf des Denkens ohne jede Kontrolle der Vernunft auf die Spur kommen zu können. Das Ziel des Surrealismus bestand darin, eine uneingeschränkte Wirklichkeitstotalität abbilden zu können. Dies war freilich eine Utopie: Die Mitteilung bleibt immer Fragment eines Ganzen, Teil des großen Kontinuums, denn sie ist zwangsläufig Isolation, Auswahl aus einem Allzusammenhang.
Dieser Illusion erliegt Magdalena Cichon gar nicht erst. Sie ist sich dieser Einschränkung, dieser Bedingung voll bewusst und macht sie zur Methode – denn die Reflexion ist ein wesentlicher Charakterzug ihrer Arbeit.
www.magdalena-cichon.de
Text: Angelika Steinmetz-Oppelland, 2017
Foto: Joachim Blobel