So stelle ich mir einen spanischen Stierkämpfer Ende des 19. Jahrhunderts vor. Herausgeputzt, zierlich, stolz, mit arrogant-rassigem Blick. Tatsächlich verraten die Insignien, Pinsel und Karton mit Körperstudie, dass es das Selbstbildnis eines Malers ist, des 31-jährigen Luis Egidio Meléndez. Er ist ein Meister des Bodegón, der Stillleben, die vorwiegend Lebensmittel abbilden. Sind Stillleben mit "leblosen Gegenständen", mit kunstvoll arrangierten Zitronen, angebissenen Äpfeln oder Wild nicht eine niederländische Spezialität des 17. Jahrhunderts? Richtig, die südlichen Niederlande gehörten damals aber zum spanischen Reich. In den barrocken spanischen und niederländischen Stillleben spukte es allerdings geradezu vor Symbolen, zum Beispiel Totenköpfen (für Vergänglichkeit) oder Fischen (für Christus). Das war in den späten spanischen Bodegones von Meléndez im 18. Jahrhundert anders: Geschirr und Speisen standen im Mittelpunkt und einfach nur für sich.
Die Künstlerfamilie der Meléndez war zwar bekannt, aber immer in einer mehr oder minder desolaten ökonomischen Situation. Meléndez' Vater Francisco suchte ab 1699 in Italien ein besseres Auskommen als im heimatlichen Spanien – vergeblich. Luis Egidio wurde von ihm und dem französischen High-Society-Maler Louis Michel van Loo ausgebildet und sollte der berühmteste der Meléndez werden. Sein Selbstbildnis hängt im Louvre, mehr als 40 seiner kleinen Ölgemälde sind Teil der Sammlung des Prado in Madrid, darunter das bekannteste, nur 42 mal 62 Zentimeter große "Ein Lachsstück, eine Zitrone und drei Gefäße". Der Titel bereits ein Gedicht. Meléndez führte die Tradition der großen spanischen Stillleben-Maler des Siglo de oro, des Goldenen Zeitalters, Juan Sánchez Cotán und Francisco de Zurbarán, fort. Kennzeichen der Bodegones von Meléndez sind die Strenge der Komposition, die genaue, naturalistische Wiedergabe des Licht, der Textur und der Farbe der Nahrungsmittel, der Früchte und der Gefäße aus Kupfer, Ton oder Glas. Außerdem rückt er die Gegenstände in den Vordergrund, nah an den Betrachter. Das Essen, die alltäglichen Gebrauchsgegenstände sind das Thema, nicht irgendwelche moralischen oder religiösen Implikationen – wie modern! Eine Anekdote am Rande: Naturkundler waren davon ausgegangen, dass die San-José-Schildlaus, die Obstbäume befällt und noch heute in Deutschland meldepflichtig ist, erst ab dem 19. Jahrhundert in Spanien wütete. Meléndez bildete die Früchte so detailversessen ab, dass die winzigen Spuren der San-José-Schildlaus darauf erkennbar waren – und die Wissenschaftler ihre Unterlagen korrigieren mussten.
Bis 1748 arbeitete Luis Egidio als Gehilfe von Louis Michel van Loo, kam aber mit der eigenen Karriere nicht weiter. Vier Jahre versucht er wie der Vater sein Glück in Italien, bis dieser ihn 1752 zurück nach Madrid ruft: Ein Brand hatte einige Jahre zuvor die königliche Chorbibliothek zerstört. Miniaturmaler wie Luis Egidio waren bei der Restaurierung der kostbaren illustrierten Bücher gefragt. Für das Naturkundliche Kabinett des Kronprinzen schuf Meléndez 44 Stillleben mit Abbildungen von spanischem Gemüse und Obst (und den Spuren der San-José-Schildlaus), von denen die meisten heute dem Prado gehören. Seine Bodegones waren damals aber nichts als naturkundliche Abbildungen für die Wissenschaft: 1760 wurde sein Gesuch zur Ernennung als Kammermaler des Hofes abgelehnt. Er starb 1780 – verkannt und in Armut.
So stelle ich mir einen spanischen Stierkämpfer Ende des 19. Jahrhunderts vor. Herausgeputzt, zierlich, stolz, mit arrogant-rassigem Blick. Tatsächlich verraten die Insignien, Pinsel und Karton mit Körperstudie, dass es das Selbstbildnis eines Malers ist, des 31-jährigen Luis Egidio Meléndez. Er ist ein Meister des Bodegón, der Stillleben, die vorwiegend Lebensmittel abbilden. Sind Stillleben mit "leblosen Gegenständen", mit kunstvoll arrangierten Zitronen, angebissenen Äpfeln oder Wild nicht eine niederländische Spezialität des 17. Jahrhunderts? Richtig, die südlichen Niederlande gehörten damals aber zum spanischen Reich. In den barrocken spanischen und niederländischen Stillleben spukte es allerdings geradezu vor Symbolen, zum Beispiel Totenköpfen (für Vergänglichkeit) oder Fischen (für Christus). Das war in den späten spanischen Bodegones von Meléndez im 18. Jahrhundert anders: Geschirr und Speisen standen im Mittelpunkt und einfach nur für sich.
Die Künstlerfamilie der Meléndez war zwar bekannt, aber immer in einer mehr oder minder desolaten ökonomischen Situation. Meléndez' Vater Francisco suchte ab 1699 in Italien ein besseres Auskommen als im heimatlichen Spanien – vergeblich. Luis Egidio wurde von ihm und dem französischen High-Society-Maler Louis Michel van Loo ausgebildet und sollte der berühmteste der Meléndez werden. Sein Selbstbildnis hängt im Louvre, mehr als 40 seiner kleinen Ölgemälde sind Teil der Sammlung des Prado in Madrid, darunter das bekannteste, nur 42 mal 62 Zentimeter große "Ein Lachsstück, eine Zitrone und drei Gefäße". Der Titel bereits ein Gedicht. Meléndez führte die Tradition der großen spanischen Stillleben-Maler des Siglo de oro, des Goldenen Zeitalters, Juan Sánchez Cotán und Francisco de Zurbarán, fort. Kennzeichen der Bodegones von Meléndez sind die Strenge der Komposition, die genaue, naturalistische Wiedergabe des Licht, der Textur und der Farbe der Nahrungsmittel, der Früchte und der Gefäße aus Kupfer, Ton oder Glas. Außerdem rückt er die Gegenstände in den Vordergrund, nah an den Betrachter. Das Essen, die alltäglichen Gebrauchsgegenstände sind das Thema, nicht irgendwelche moralischen oder religiösen Implikationen – wie modern! Eine Anekdote am Rande: Naturkundler waren davon ausgegangen, dass die San-José-Schildlaus, die Obstbäume befällt und noch heute in Deutschland meldepflichtig ist, erst ab dem 19. Jahrhundert in Spanien wütete. Meléndez bildete die Früchte so detailversessen ab, dass die winzigen Spuren der San-José-Schildlaus darauf erkennbar waren – und die Wissenschaftler ihre Unterlagen korrigieren mussten.
Bis 1748 arbeitete Luis Egidio als Gehilfe von Louis Michel van Loo, kam aber mit der eigenen Karriere nicht weiter. Vier Jahre versucht er wie der Vater sein Glück in Italien, bis dieser ihn 1752 zurück nach Madrid ruft: Ein Brand hatte einige Jahre zuvor die königliche Chorbibliothek zerstört. Miniaturmaler wie Luis Egidio waren bei der Restaurierung der kostbaren illustrierten Bücher gefragt. Für das Naturkundliche Kabinett des Kronprinzen schuf Meléndez 44 Stillleben mit Abbildungen von spanischem Gemüse und Obst (und den Spuren der San-José-Schildlaus), von denen die meisten heute dem Prado gehören. Seine Bodegones waren damals aber nichts als naturkundliche Abbildungen für die Wissenschaft: 1760 wurde sein Gesuch zur Ernennung als Kammermaler des Hofes abgelehnt. Er starb 1780 – verkannt und in Armut.
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