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Ende des 19. Jahrhunderts kamen die ersten japanischen Farbholzschnitte als billiges Verpackungsmaterial für Importe nach Europa. Die künstlerische Avantgarde ließ sich inspirieren, man denke nur an die leuchtend farbigen, von radikaler Raumaufteilung und Unmittelbarkeit lebenden Werke von Edgar Degas oder Henri de Toulouse-Lautrec. Doch der Einfluss war gegenseitig: Schon der berühmte Ukiyo-e-Künstler Torii Kiyonaga ließ seine japanischen Schönheiten vor einer Landschaft auftreten, die in typisch westlicher Manier einen Horizont zeigt und auch Perspektive. Die Bewegung des Ukiyo-e wollte das vergängliche Leben und die Vergnügungen des Tages im Sinne eines „Carpe diem!“ feiern.
Torii Kiyonaga gehörte zu den großen Meistern seiner Zunft, er lernte bei seinem Stiefvater Torii Kiyomitsu und schuf ausdrucksstarke Bilder von Schauspielern des Kabuki-Theaters mit ihren maskenhaft verzerrten, stark geschminkten Gesichtern. Doch anders als sein Lehrer zeigte er vor allem die alltäglichen Vergnügungen der gehobenen bürgerlichen Gesellschaft von Tokio, damals Edo, und anderen aufstrebenden japanischen Städten. Er wurde 1752 in Edo als Sohn eines Buchhändlers geboren. So gehörte Kiyonaga zwar nicht zur besseren Gesellschaft, die er darstellen wollte, war jedoch weit talentierter als der leibliche Sohn seines Lehrers, so dass er in dessen Fußstapfen treten sollte. In seinen Farbholzschnitten präsentiert er uns die täglichen Verrichtungen der fein und sich fein gebenden Gesellschaft. So werden wir Zeugen einer Badhausszene, in der bekleidete, aber auch nackte Frauen sich scheinbar unbeobachtet wähnen. Eine Mutter trocknet ihr Baby ab – eine Szene von bis dahin ungekanntem Realismus. Sind wir vielleicht der Voyeur, der da durch eine versteckte Luke zu schauen scheint? Handelt es sich also bei den dargestellten Frauen um Kurtisanen, die sich zur Schau stellen? Nun, der Mann könnte auch ein Sansuke sein, der als Masseur in japanischen Badehäusern gang und gäbe war. Kiyonaga hat allerdings auch züchtigere Szenen zu bieten, beispielsweise von Frauen in Kimonos, die von einem Schauer überrascht werden und unter einem Tempeldach Schutz suchen oder in einem Boot eine Ausfahrt auf einem See machen. Torii Kiyonaga schuf außerdem einen Bilderzyklus über die zwölf Monate, der uns viel über die japanische Gesellschaft der Zeit und die verfeinerten Sitten zeigt. Aber spielende Kinder gibt es überall auf der Welt, und diese hier aus Japan werden in höchster Dynamik und Lebendigkeit gegeben. Allerdings scheinen die Kinder hier bei einer Schneeballschlacht barfuß zu sein, was nun nicht ganz zu seinem Ruf als besonders realitätsgetreuer Künstler zu passen scheint.
Torii Kiyonaga übernahm die Torii-Schule von seinem Lehrmeister und gab sein Wissen und seine Innovationen an eine jüngere Künstlergeneration weiter. Bis heute gilt er als der große Meister des Bijin-ga, der Darstellung schöner gestylter Frauen in erlesenen Settings – so würde man heute sagen. Der Meister starb 1815 in Edo, doch sein Werk beeinflusste indirekt noch die japanbegeisterten Zirkel der europäischen Kunstavantgarde beinahe einhundert Jahre später.
Ende des 19. Jahrhunderts kamen die ersten japanischen Farbholzschnitte als billiges Verpackungsmaterial für Importe nach Europa. Die künstlerische Avantgarde ließ sich inspirieren, man denke nur an die leuchtend farbigen, von radikaler Raumaufteilung und Unmittelbarkeit lebenden Werke von Edgar Degas oder Henri de Toulouse-Lautrec. Doch der Einfluss war gegenseitig: Schon der berühmte Ukiyo-e-Künstler Torii Kiyonaga ließ seine japanischen Schönheiten vor einer Landschaft auftreten, die in typisch westlicher Manier einen Horizont zeigt und auch Perspektive. Die Bewegung des Ukiyo-e wollte das vergängliche Leben und die Vergnügungen des Tages im Sinne eines „Carpe diem!“ feiern.
Torii Kiyonaga gehörte zu den großen Meistern seiner Zunft, er lernte bei seinem Stiefvater Torii Kiyomitsu und schuf ausdrucksstarke Bilder von Schauspielern des Kabuki-Theaters mit ihren maskenhaft verzerrten, stark geschminkten Gesichtern. Doch anders als sein Lehrer zeigte er vor allem die alltäglichen Vergnügungen der gehobenen bürgerlichen Gesellschaft von Tokio, damals Edo, und anderen aufstrebenden japanischen Städten. Er wurde 1752 in Edo als Sohn eines Buchhändlers geboren. So gehörte Kiyonaga zwar nicht zur besseren Gesellschaft, die er darstellen wollte, war jedoch weit talentierter als der leibliche Sohn seines Lehrers, so dass er in dessen Fußstapfen treten sollte. In seinen Farbholzschnitten präsentiert er uns die täglichen Verrichtungen der fein und sich fein gebenden Gesellschaft. So werden wir Zeugen einer Badhausszene, in der bekleidete, aber auch nackte Frauen sich scheinbar unbeobachtet wähnen. Eine Mutter trocknet ihr Baby ab – eine Szene von bis dahin ungekanntem Realismus. Sind wir vielleicht der Voyeur, der da durch eine versteckte Luke zu schauen scheint? Handelt es sich also bei den dargestellten Frauen um Kurtisanen, die sich zur Schau stellen? Nun, der Mann könnte auch ein Sansuke sein, der als Masseur in japanischen Badehäusern gang und gäbe war. Kiyonaga hat allerdings auch züchtigere Szenen zu bieten, beispielsweise von Frauen in Kimonos, die von einem Schauer überrascht werden und unter einem Tempeldach Schutz suchen oder in einem Boot eine Ausfahrt auf einem See machen. Torii Kiyonaga schuf außerdem einen Bilderzyklus über die zwölf Monate, der uns viel über die japanische Gesellschaft der Zeit und die verfeinerten Sitten zeigt. Aber spielende Kinder gibt es überall auf der Welt, und diese hier aus Japan werden in höchster Dynamik und Lebendigkeit gegeben. Allerdings scheinen die Kinder hier bei einer Schneeballschlacht barfuß zu sein, was nun nicht ganz zu seinem Ruf als besonders realitätsgetreuer Künstler zu passen scheint.
Torii Kiyonaga übernahm die Torii-Schule von seinem Lehrmeister und gab sein Wissen und seine Innovationen an eine jüngere Künstlergeneration weiter. Bis heute gilt er als der große Meister des Bijin-ga, der Darstellung schöner gestylter Frauen in erlesenen Settings – so würde man heute sagen. Der Meister starb 1815 in Edo, doch sein Werk beeinflusste indirekt noch die japanbegeisterten Zirkel der europäischen Kunstavantgarde beinahe einhundert Jahre später.